weRow.com - Connecting Rowers | Rudern in Europa
Ein Verband im unruhigen Fahrwasser
(2005-10-12 21:15:11) In der FAZ am 7. Oktober 2005 erschien folgender Artikel: Konstruierter Ost-West-Konflikt im Rudern Ein Verband im unruhigen Fahrwasser
– Gegeneinander im Vorstandsboot

FRANKFURT. Die Zeiten, da Helmut Griep und Holger Siegler in einem Boot saßen, sind endgültig vorbei. Als sich der Vorstand des Deutschen Ruderverbandes (DRV) an einem Augustsonntag in Cochem zur Wanderfahrt auf der Mosel traf, schien die Welt noch in Ordnung. Siegler, als DRV-Vizepräsident für den Leistungssport im Verband zuständig, glaubte seinen Vorsitzenden hinter sich zu haben, wenn es um eine abermalige Kandidatur beim Verbandstag am 12. November in Dresden ginge. Drei Tage später erhielt er allerdings ei neu Anruf. Griep teilte ihm er wolle ihn nicht ihn nicht mehr als Vizepräsidenten haben. Siegler, so ließ Griep wissen, biete keine Garantie dafür, daß die unterschiedlichen Leistungssporttraditionen in Ost und West zusammengeführt würden. Zudem habe er Sportdirektor Michael Müller an zu langer Leine laufen lassen, ihn zuwenig kontrolliert. Schon seit den Olympischen Spielen von Athen, sagt Griep, habe er »ein Gegrummel im Verband geortet«. Einige einst erfolgreiche ostdeutsche Verbände, nun nicht mehr in vorderster Reihe, machten Druck. Und Griep gab nach.

Dabei hatten sich die Wogen gerade so schön geglättet. Ohne großes Aufhebens hatte Helmut Griep den Ruderverband in ruhiges Fahrwasser geleitet, die Turbulenzen der Ära des umstrittenen Präsidenten Wolfgang Maennig hinter sich gelassen. Griep hatte geschafft, was sich jene von ihm erhofft hatten, die ihn im April 2001 ins Amt des Vorsitzenden hoben: Ruhe war eingekehrt im DRV. Doch sorgte Griep selbst für neue Wellen. Er regiere plötzlich nach Gutsherrenart, monierten Kritiker. »Der Eindruck könnte entstehen«, sagt Griep dazu, »aber ein Vorsitzender muß Weichen stellen, sonst heißt es, er lasse alles treiben.« Also handelte er und präsentierte auch gleich den potentiellen Nachfolger für Siegler: Der bisherige Schatzmeister Siegfried Kaidel sollte es richten, auf dessen Posten sollte Frank Schütrumpf, Vorsitzender der Sportjugend, nachrücken. Mittlerweile sind die beiden nicht mehr im Gespräch: Während einer Vorstandssitzung gemeinsam mit dem Länderrat in Saarbrücken zog Kaidel seine Kandidatur zurück. »Die Aufgabe wurde ihm nicht zugetraut«, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Bis zum 19. Oktober soll nun ein neuer Kandidat gekürt werden, die Suche ist in vollem Gang. Einen Vizepräsidenten für den Leistungssport zaubert man auch im Deutsehen Ruderverband nicht einfach aus dem Hut.

Denn widerstrebende Kräfte gilt es zu bündeln. Nicht der immer wieder zitierte Ost-West-Konflikt generell macht das schwierig. Das Gespann Müller und Siegler – beide halten ihre Zusammenarbeit für sehr gut und effektiv – präsentierte zu letzt sein Konzept in Saarbrücken und erhielt viel Beifall, auch aus ostdeutschen Landesverbänden. Einige stehen sogar in ihrem Urteil konträr zu Grieps Kritik: Müller sei keinesfalls zu stark, er müsse sogar noch mehr Macht erhalten, fordern sie. Ein Ost-WestKonflikt wird konstruiert, weil die handelnden Personen so zugeordnet werden können. Dem Konzept Müllers steht die Vorstellung des Juniorentrainers Dieter Altenburg entgegen. Und Ambitionen auf den Posten Sieglers werden Herwig Ritter nachgesagt, dem Vorsitzenden des Landesverbandes Sachsen-Anhalt.

Einhelliger Tenor aller Beteiligten ist, daß man konstruktive Kritik braucht. Auch Müller selbst gibt sich mit dem Status quo nicht zufrieden: »Wir müssen sehr kritisch in die unmittelbare Wettkampfvorbereitung hineinschauen und zum Beispiel das Höhentraining noch einmal auf den Prüfstand stellen«, sagt er als Konsequenz der Weltmeisterschaften in Gifu in Japan. Letztlich ruft aber die Art und Weise, wie Siegler zum Verzicht auf sein Amt gebracht wurde, großes Unverständnis hervor. Nicht nur Eberhard Mogk, Landesverbandsvorsitzender von Nordrhein-Westfalen, Sieglers Heimat, kritisiert den Stil. Auch Henrik Lutz, Ehrenpräsident des DRV, sagt, er bedauere diese Entwicklung. »Wir brauchen jemanden, der den Brückenschlag zustande bekommt«, sagt Griep. Dieser Konstrukteur bekäme alsbald alle Hände voll zu tun.

Als hätte der Verband nicht schon intern genug zu kitten, drohen jetzt auch andere
Stützpfeiler zu bröckeln. Diese Woche wurde der Jugendsekretär Jürgen Dabrath nach mehr als 25jährige Tätigkeit entlassen. Außerdem warfen einige Ruderer, darunter der nicht mehr aktive ehemalige Athletensprecher Andre Willms und der Mainzer Leichtgewichtsruderer Ingo Euler, dem DRV vor, er staple mit Sporthilfegeldern Haushaltslöcher. Ob als Sprachrohr für andere oder aus persönlichem Frust Laut gegeben wurde: Die Stimmen wurden auch dort vernommen, von wo der DRV stets große Unterstützung erfährt, bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Sporthilfe-Geschäftsführer Gerd Klein verweist auf die absolute Transparenz der finanziellen Beziehungen zum DRV. Doch die wenig förderlichen Sätze sind hinausposaunt. »Der Ruderverband muß sich gefallen lassen, daß wir darüber diskutieren werden«, sagt Klein. Bis dahin hat sich hoffentlich bei allen die Erkenntnis durchgesetzt, daß ein Boot nur ans Ziel kommt, wenn alle miteinander rudern. CHRISTIANE MORAVETZ
www.weRow.com - March 28th, 2024 12:18:47 PM