"Kein Thema!"

Tagebucheintragungen eines Ruderers während der Peene-Uecker-Tour vom 5. bis 15. Juli 2001

Demmin, Donnerstag den 5.7. Liebes Tagebuch! Wieder einmal nehme ich dich mit auf große Fahrt. Dieses Mal könnte es feucht für dich werden, also nimm dich in Acht, aufdass deine Zeilen nicht verwischen und du mir nichts vergisst! Mit insgesamt zehn Ruderern und zwei Booten - Methusalem und Söderblom - sind wir heute früh vom Bootshaus aus gestartet Am späten Nachmittag hatten wir die 470 Straßenkilometer glücklich hinter uns gebracht und waren am Wasserwanderrastplatz in Demmin angekommen. Hier galt es nun, die Zelte aufzubauen. Keine ganz leichte Übung, vorallem wenn man's zum ersten Mal macht. Aber schließlich war auch das geschafft und - Mühe soll belohnt werden - so haben wir uns in einer nahegelegenen kleinen Gastwirtschaft ein zünftiges Abendbrot gegönnt. Die Empfehlung des Abends hieß: "Aal in Aspik". Aber es soll ja Leute geben, denen sowas nicht gut im Magen liegt. Zum Abschluss des Tages haben wir Hafen und Marktplatz der Hansestadt Demmin zu Fuß erkundet. Reste einer Stadtmauer sind noch vorhanden, nur die Kirche wird vom Marktplatz durch ein altes, leerstehendes Gebäude im Plattenbaustil getrennt - Erblast! Und wenn ich diese Zeile beendet habe, dann werde ich schleunigst meinen Schlafsack aufsuchen, um morgen für die erste Etappe ausgeschlafen zu sein.   

                    

Demmin, Freitag den 6.7. Gleich am ersten Ruderwandertag zeigte sich das Wetter heute von seiner sonnigsten Seite. Von Kummerow aus überquerten wir den Kummerower See, an dessen Ufer wir Zeuge der erotischen Spielarten der Natur werden durften. Am nordöstlichen Ende des Sees fanden wir mit Mühe den Durchlass zur Peene, deren Verlauf wir dann noch etwa 15 km stromabwärts bis hierher, nach Demmin zum Rastplatz folgten. Besonders in Erinnerung bleiben werden mir sicherlich die vielen Seitenarme der Peene, die über und über mit Seerosen zugewuchert sind.

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Demmin, Samstag den 7.7. Heute führte uns die Peene bis zu den Hafenanlagen von Jarmen. Als wir morgens den Ort auf dem Wasserweg verlassen hatten, wurden wir Zeuge der einzigartigen "Scheinriesenkirche von Demmin": Je weiter wir uns von ihr entfernten, desto höher wuchs ihr Kirchturm über die davorstehenden Bäume am Flussufer. Die erste Pause in Loitz haben wir zu einer ausgiebigen Dorfdurchquerung genutzt, was uns auch zur Kirche führte. Mit dem Kantor, einem waschechten Schwaben und seinem Kollegen, der aus Bünde stammt, kamen wir schnell ins Gespräch. Sie gaben uns auch Gelegenheit, die Kirche von innen zu bestaunen, und Irmgard forderte uns musikalisch mit der Orgel auf: "Lobet den Herrn". Auf diese Weise erholt machten wir uns wieder auf den Weg, genauer gesagt auf den Wasserweg. Die Strecke von Markierung 40 km bis 44 km legten wir in rekordverdächtigen fünf Minuten zurück. Wir staunten über uns selber, meinten wir doch, dass wir uns eigentlich gar nicht so sehr angestrengt hatten. Trotzdem haben wir uns den Grillabend jetzt redlich verdient. Bei dem Duft, der hier gerade in meine Nase steigt, läuft mir wirklich das Wasser im Munde zusammen!

                                 

Torgelow, Sonntag den 8.7. Heute früh haben wir unsere Zelte in Demmin abgebrochen und sind mit Sack und Pack zurück nach Jarmen gefahren, wo Söderblom und Methusalem schon auf uns warteten. Vor uns lag die letzte Etappe auf der Peene bis nach Anklam. Da dasThermometer heute nur bis angenehme 25° C stieg und die Strecke kürzer als die bisherigen war, reichte uns die eine Pause gegen Mittag in Stolpe. In der Nähe alter Klostermauem stärkten wir uns bei Live-Gesang, der von der Terrasse der nahen Gastwirtschaft zu uns herüberklang. Von Mitgliedern der Paddlergilde Torgelow wurden wir am Abend herzlich in Empfang genommen. Ganz in der Nähe der Stadtmitte am Ufer der Uecker liegt das großzügige Vereinsgelände. Jedoch stellte uns der betonharte Rasenboden vor einige Schwierigkeiten beim Aufstellen der Zelte. Aber Probleme sind dazu da, gelöst zu werden, und so standen unsere Faltherbergen am Ende schließlich doch. Um es mit den Worten des Paddlers Erhardt zu sagen: "Das ist kein Thema!"

Torgelow, Montag den 9.7. Die "Svantevit", ein alten slavischen Bauplänen nachempfundenes Holzschiff, war mir ja vom letztjährigen Hafenfest in Espelkamp noch bekannt. In Ueckermünde konnte ich sie heute früh in heimischem Gewässer hautnah erleben. Kapitän Dirk Kotz - ein echter Seebär - konnte uns eine ganze Menge über die Lebensweise der Slaven erzählen. Mit ihm haben wir uns ein Stück weit auf das Stettiner Haff hinausziehen lassen und sind dann nach Ueckermünde zurück gesegelt. Da kam so richtige Seefahrerstimmung auf! Den Spätnachmittag haben wir in Mönkebude an einem herrlichen Sandstrand zum ausgiebigen Baden genutzt bis uns die hohe Luftfeuchtigkeit zur Flucht zwang; es hat wie aus Eimern geregnet. Am Abend wurden wir vom Paddler Thomas Werner durch die Stadt geführt und bekamen die neue Feuer- und Rettungswache von innen zu sehen. Frisch geräucherte Forelle rundete den Abend ab

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Torgelow, Dienstag den 10.7. Heute haben wir die Uecker auf dem Wasserwege erkundet: zunächst von Torgelow aus ca. 20 km weit stromauf mit den Ruderbooten (und natürlich auch wieder zurück) und abends durften wir die Boote der Paddlergilde ausprobieren, was bei der Hitze in einigen "Fällen" zu angenehmer Erfrischung führte, vielleicht nicht immer ganz beabsichtigt. Heute Nachmittag legten wir außerdem am Steg des Ukranenlandes an, einer kleinen Siedlung in der Nähe Torgelows, in der die Lebensweise der Ukranen, einem hier ehemals ansässigen Volk, möglichst originalgetreu nachempfunden wird.

            

Torgelow, Mittwoch den 11.7. Das war heute ein anstrengender Tag! Morgens statteten wir dem Bürgermeister von Torgelow einen Besuch ab und überbrachten ihm die Grüße der Partnerstadt Espelkamp. Er berichtete uns einiges Wissenswertes über die Entwicklung, die die Stadt in den letzten zehn Jahren genommen hat. Anhand von Plakatwänden, die anlässlich eines städtebaulichen Wettbewerbs angefertigt wurden, zeigte er uns die baulichen Veränderungen der vergangenen Jahre. Die Abwanderung junger Arbeitskräfte, welche nicht nur durch einen enormen Arbeitsplatzschwund begründet ist, wird der Stadt in naher und mittelfristiger Zukunft enorme Probleme bereiten. Kurz vor Mittag hörte der Regen auf, so dass wir endlich mit den Booten aufbrechen konnten. Bereits nach etwa einem Kilometer zwang uns ein Wehr dazu, die Boote umzutragen, über eine Strecke von etwa 350 Metern -da war gleich die nächste Pause fällig! Dann aber ging die Tour richtig los und führte uns schließlich erneut nach Ueckermünde, dem Liegeplatz der Svantevit und von dort wieder zurück bis Eggesin, wo die Boote ihr Nachtquartier zugewiesen bekamen. Jetzt sitzen wir wieder am Grill und lassen es uns gutgehen. Bleibt noch zu erwähnen, dass die letzte Nacht auch recht ereignisreich war. Etwa um drei Uhr rissen uns die Schießübungen auf dem nahegelegenen Truppenübungsgelände aus dem Schlaf. Und dasselbe taten die Motorsensen, mit denen heute früh ab 7 Uhr der Brennesselplantage auf dem Nachbargrundstück zu Leibe gerückt wurde.

Wolgast, Donnerstag den 12.7. Heute früh haben wir die Zelte in Torgelow abgebrochen, so gerne wir auch noch in diesem Städtchen geblieben wären. Zunächst mussten die Boote in Eggesin aufgeladen werden. Wir sind dann zum letzten Stützpunkt unserer Wanderfahrt, nach Wolgast, gefahren. Die größte Zugbrücke Europas in unmittelbarer Nähe des hiesigen Bootshauses, bietet alle paar Stunden ein interessantes Schauspiel, wenn sie sich gemächlich öffnet und schließt. Am Nachmittag haben wir uns in zwei Gruppen aufgeteilt. Ich gehörte zu denen, die mit dem Zug von Wolgast bis Ahlbeck gefahren sind, um dort den Strand zu "begutachten". Auf dem Rückweg haben wir noch einmal Halt in Koserow gemacht, um hier die mit 60 Metern höchste Erhebung Usedoms zu erklimmen, den Streckelsberg.

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Wolgast, Freitag den 13.7. Das war ein wenig schon ein Hauch von Hochseerudem, was wir heute hinter uns gebracht haben. Obwohl wir uns die windgeschützte Seite des Peenestroms im Schatten des Schilfs ausgesucht hatten, mussten wir mit den Wellen kämpfen, um bis Peenemünde zu kommen. Wenigstens wissen wir jetzt, dass die Boote nur bedingt hochseetauglich sind. In Peenemünde gab es viel zu sehen: das größte konventionelle U-Boot der Welt konnten wir betreten. Es liegt als Museum vor Anker. Und im Raumfahrtmuseum gab es eine Menge über die Entwicklung von Luft- und Raumfahrt im 20. Jahrhundert zu lernen.

                                                                      

Wolgast, Samstag den 14.7. Anscheinend haben die meisten von uns für diese Wanderfahrt genug vom Rudern. Jedenfalls rafften sich nur drei von uns heute noch auf, die kurze Strecke von Wolgast bis Ziemitz zu rudern. Die Gesundheit von einigen von uns scheint inzwischen aber auch angeschlagen zu sein. Jedenfalls fragte Ulrike heute früh nach einem Schnaps, worauf der sonst so schlagfertige Herbert einige Sekunden nichts zu antworten wusste und schließlich fragte: "Isses soweit?!" Dafür kam aber die Bildung heute nicht zu kurz, denn am Morgen haben wir nocheinmal den Weg nach Peenemünde auf uns genommen, um ins "Phenomenia" zu gehen, einem naturwissenschaftlichen Museum, in dem man alles anfassen und selbst ausprobieren kann.

                                                           

Lübbecke, Sonntag den 15.7. Tja, nun sind wir also wieder daheim. Wie üblich heißt die Devise: Zuerst wird das Material versorgt, und dann erst der Mensch. Aber gemeinsam sind wir bekanntlich stark, und so waren die Boote recht bald gereinigt und verstaut. Nur dumm, dass ich morgen früh gleich wieder zur Arbeit erscheinen muss. Ich hätte mir wohl doch wenigstens einen weiteren Tag Urlaub gönnen sollen.
Axel Hädicke